Die Fritz Stephan GmbH engagiert sich bei der Behandlung von Frühchen im ländlichen China

von Friedrich Roeingh

„Zhunbei haole ma?“, fragt Dr. Wu Jingyan, Ausbildungsleiter der Kinderklinik an der Fudan-Universität in Shanghai in die jungen Gesichter – „Sind Sie bereit?“ In einem Trainingstrakt der Kinderklinik haben sich drei junge Ärzte um einen kleinen OP-Tisch versammelt, auf dem nackt das Frühchen liegt. Umwickelt mit einer Klarsichtfolie, damit das winzige Baby nicht auskühlt. Das Display des Diagnosegeräts zeigt an, dass die zuletzt schon unregelmäßige Atmung des nackten Winzlings ausgesetzt hat. Mit rhythmischem Drücken ihres Zeigefingers auf den winzigen Brustkorb versucht eine der Ärztinnen, die Beatmung wieder einsetzen zu lassen – den Blick immer auf die Daten auf dem Bildschirm gerichtet. Nachdem diese Unterstützung keine rechte Wirkung zeigt, muss umgehend das Beatmungsgerät zum Einsatz kommen. Nach wenigen Handgriffen setzt die künstliche Beatmung ein. Eine lange Minute später ist die natürliche Atmung des Frühchens wieder da. Hier, auf dem OP-Tisch des Ausbildungscenters ist das Frühchen nur eine täuschend zerbrechlich wirkende Gummipuppe. Wie in einem Trainingslager werden die Nachwuchsärzte an kritische Situationen bei der Rettung von extremen Frühchen herangeführt. Und in diesem Fall auch an den Einsatz hochspezialisierter Beatmungsgeräte aus dem deutschen Westerwald.

Die GIZ in Eschborn fördert die Ärztetrainings in China

Seit zwei Jahren betreibt der Hersteller der Geräte, die Fritz Stephan GmbH in Gackenbach bei Montabaur, dieses Kooperationsprojekt über ihre gemeinnützige Stiftung mit der Universitätsklinik in Shanghai. Im Fokus der Trainingsprogramme am Beatmungsgerät mit dem Namen „Sophie“ stehen nicht nur Ärzte, die an der Shanghaier Klinik ausgebildet werden. Mit finanzieller Unterstützung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn hat die Fritz-Stephan-Akademie ein Train-the-trainer-Programm entwickelt. Von der Shanghaier Uni-Klinik schwärmen dann die aufgerüsteten Mediziner in zahlreiche Kinderkliniken des Riesenreiches aus, um dort ihrerseits die Ärzte an den Beatmungsgeräten made in Germany zu schulen.

„In Shanghai, Peking oder Shenzhen sind wir den eurpäischen Spezialkliniken bei der Versorgung von Frühgeborenen ziemlich ebenbürtig“, sagt Prof. Zhou Wenhao, Vizepräsident der Kinderklinik. In den ländlichen Regionen Zentralchinas und im tiefen Westen sei die Kindersterblichkeit mit 1,4 Prozent aller Neugeborenen aber zehnmal so hoch wie in den Metropolen des Ostens. 1,7 Millionen Frühgeborene werden in China jährlich gezählt. Ein Prozent von ihnen sind frühe Frühchen, die nur in spezialisierten Kliniken eine Überlebenschance haben. Die winzigsten, die bei optimaler Versorgung durchkommen können,, sind in der 23./24. Schwangerschaftswoche geboren und gerade einam 400 bis 500 Gramm schwer.
Bernd Höhne, Geschäftsführer der Fritz Stephan GmbH, erläutert, welche besonderen Anforderungen das an die Beatmungsmaschinen stellt, die in der ganzen Welt gefragt sind. Die lägen nicht nur in der minimalen Größe der Frühchen-Lungen von 25 Millilitern – „etwas mehr als ein Schnapsglas. „Die Lungen sind noch sehr spröde und können bei Überbeatmung reißen“, erklärt Höhne.
Die besonderen Anforderungen: Das Gasgemisch für die Frühgeborenen darf keinerlei CO2 der zuvor ausgeatmeten Luft enthalten. Weil die Nase umgangen wird, muss das Luftgemisch optimal erwärmt und befeuchtet werden. Ein winziger Schlauch im Beatmungsschlauch saugt zudem Sekret ab, das sich am Lungenboden bilden kann. Und die Geräte müssen erkennen und sich darauf abstimmen, sobald die Spontanatmung der Babys wieder einsetzt.
Geschäftsführer Höhne hat kein Problem damit, dass sein Ausbildungsprojekt in Shanghai schlicht und einfach auch Marketing für die Produkte seines Unternehmens ist. „Wir stecken unser begrenztes Budget lieber in die Ausbildung von Fachärzten als in Auftritte auf Messen und Fachausstellungen.“ Die Begeisterung, die ihm die Ärzte in Shanghai zurückspielten, geben dem Konzept der Fritz-Stephan-Akademie recht: „Die Ärzte, die als Trainer an unseren Maschinen ausgebildet werden, machen sich dieses Projekt mit großem Engagement zu eigen“, sagt Höhne. Noch ein Jahr lang wird die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit das Ausbildungsprojekt unterstützen. Insgesamt wird die GIZ dann 750.000 Euro in diese Art der Bekämpfung der Kindersterblichkeit in den ländlichen Räumen Chinas investiert haben. Anschließend will das Westerwälder Unternehmen das Akademie-Projekt auf alleinige Rechnung weiterführen, um sich damit den weltweit zweitgrößten und am stärksten wachsenden Medizinmarkt weiter zu erschließen.
Im kommenden Jahr will Höhne das Unternehmen „Fritz Stephan China“ gründen. Die Verantwortlichen der Kinderklinik an der Fudan Universität in Shanghai werden ihn dabei weiter unterstützen: „Wir helfen gern dabei, diesen lebensrettenden Fortschritt in die entlegenen Regionen unseres Landes zu tragen“, erklärt der stellvertretende Klinikdirektor, Prof. Zhou.

Quelle: Allgemeine Zeitung vom 28.10.2019